Donnerstag, 3. März 2011

Kinder in Münster (IV)

4. Oktober 2010
Zeitverschwendung für eine Laborstudie

Kommissar Internet hat in Mainz auch Publizistik studiert. Von daher weiß er: Auf die Frage "Wir wirken Gewaltdarstellungen in Medien auf die Betrachterinnen und Betrachter?" gibt es drei Antworten. Die erste lautet: Sie erhöhen die Gewaltbereitschaft. Die zweite lautet: Sie senken die Gewaltbereitschaft. Die dritte lautet: Sie wirken auf bereits Gewaltbereite, auf nicht Gewaltbereite wirken sie nicht.

Jeder dieser Thesen liegen wissenschaftliche Untersuchungen zugrunde. Mal als Labor- mal als Feldstudie. Laborstudie heißt: Die Beobachtungsgruppe befindet sich in einer künstlichen Umgebung. Feldstudie heißt: Die Beobachtungsgruppe bleibt in ihrer natürlichen Umgebung. Ergebnis: Laborstudien taugen nicht viel, sind so gut wie nicht aussagekräftig. Wenn dann in der Versuchsanordnung auch noch Fehler gemacht werden, sind sie hinfällig.

Mit diesem Wissen ausgestattet schlägt Kommissar Internet noch einmal das 155-seitige Gutachten über eine Familie aus Münster auf, die besteht am 3. Dezember 2009 aus: einem nicht verheirateten Paar, einem sechs Monate alten Baby, das seit über zwei Monaten eine Pflegemutter hat,  und einem Zweijährigen, der bei seiner Mutter lebt.

An diesem Dezember-Tag fahren Mutter, Vater und Junge von Münster nach Dortmund, kommen dort um 10.15 Uhr im Institut für forensische Psychologie an. Der Zweijährige geht sofort ins Spielzimmer, das mit einer Einwegscheibe vom Beobachtungszimmer getrennt ist, und "exploriert verschiedene Spielmöglichkeiten".

Bei einer Tasse Tee erholt sich Kommissar Internet erst einmal von dieser Formulierung, dann liest er weiter, obwohl er am 3. Dezember 2009 ab 10.15 Uhr ganz anders reagiert hätte als die Gutachterin. Er hätte den Eltern und dem Zweijährigen erst einmal das Institut und das möglicherweise vorhandene Grundstück gezeigt, um etwaigen Hemmungen zu begegnen.

Macht die Gutachterin nicht, sie beobachtet Mutter, Vater und Kind im Spielzimmer. Die Eltern sitzen an einem Tisch, trinken etwas, der Junge schaut sich um. Bis um  10.40 Uhr die Pflegemutter mit dem Baby erscheint. Die setzt das Baby auf den Boden, zieht sich in eine Ecke zurück und plaudert mit der Mutter.

Der Junge wirft derweil Spielzeug durch das Zimmer. Was soll hier eigentlich untersucht werden? fragt sich Kommissar Internet an dieser Stelle. Wie ein Zweijähriger eine Autofahrt verdaut? Wie Pflegemutter und Mutter miteinander zurecht kommen? Was hat die Pflegemutter eigentlich im Spielzimmer zu suchen, wenn es um eine kleine Familie geht? Die sich doch auch ohne Pflegemutter schon in einer künstlichen Situation befinden würde.

Aus der scheiden Pflegemutter und Säugling um 11.55 Uhr aus. Nach einer kurzen Pause wird die Beobachtung fortgesetzt. Merke: Der Zweijährige hält sich nach einer Autofahrt bereits seit einer Stunde und 40 Minuten in einem Spielzimmer auf, das nicht sein eigenes ist. Dass der Kleine zwischendurch nach draußen will, findet Kommissar Internet ganz natürlich. Was im Institut geschieht, immer künstlicher.

Bis die Uhr 13 Mal schlägt. Kommissar Internet hätte nun um eine Mittagspause gebeten, die mindestens eine Stunde dauert. Wäre mit Mutter und Kind spazieren gegangen und hätte unterwegs ein Restaurant besucht. Die Gutachterin jedoch denkt gar nicht daran. Lässt nun die Mutter Fragebögen ausfüllen, beobachtet anschließend Vater und Sohn im Spielzimmer. Auch der Vater füllt Fragebögen aus. Erlöst wird die Familie um 14.40 Uhr. Sie darf das Institut verlassen.

Tolle Leistung von dem Kleinen, denkt Kommissar Internet, schlägt das Gutachten wieder zu und hält alle an  diesem Dezember-Tag gemachten Beobachtungen für völlig wertlos. Für Zeitverschwendung, die auch noch Geld kostet...

Gnadenlose Eltern

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