Freitag, 1. Mai 2009

Holzen Teil 3

10. November 2008
Immer Rauschen in den Ohren

Der 80-Jährige sitzt in Hörweite, reagiert aber nicht, als ich auch ihn nach dem Kinderheim frage.

„Ich habe immer so ein Rauschen in den Ohren“, sagt er.

Wie ein ganzes Dorf, als es auf dem Greitberg ein Zuchthauslager gegeben hat?

„Die Behandlung der Insassen soll unmenschlich gewesen sein“, berichtet der Holzmindener Chronist Detlef Creydt. Einige Aufseher hätten sich brutale Strafen einfallen lassen: Den Kopf eines Häftlings zwischen Spind und Spindtür einquetschen, bis das Nasenbein bricht beispielsweise.

Das hat man im Dorf gewusst, so mancher steckte den Häftlingen unter Tage Brot zu, ein Aufseher versteckte Nahrungsmittel in einem Erdloch. Doch das Schlimmste konnte niemand verhindern: In dem Lager starben 32 Männer.

„Der Boden ist von Blut getränkt“, sagt ein Stuttgarter, der im Kinderheim „Rübezahl“ aufgewachsen ist. Es soll auch zwischen 1955 und 1972 geflossen sein. Auch ein ehemaliges Heimkind aus Darmstadt erinnert sich an „Gewalt und Demütigung“. Niemand habe sich darum gekümmert, „weghören und wegsehen“ gehöre wohl zur Tradition von Holzen.

„Wir waren isoliert“, sagt ein weiteres Heimkind aus der Region Hannover. Den Weg zur Schule legten die Heimkinder zu Fuß zurück, fünf Kilometer den Greitberg herunter, immer an der Straße entlang, bei Regen wurden sie so nass, dass ihre Klamotten während des Unterrichts getrocknet werden mussten.

„Das ging irgendwann nicht mehr so weiter“, sagt der ehemalige Bürgermeister Herbert Schlotter. Aber „isoliert“ sei das falsche Wort, denn: „Einmal im Jahr haben die Dorfkinder und die Heimkinder ein Schulfest gefeiert. Das fand auf dem Greitberg statt.“

Der Wirt des Gasthauses „Roter Fuchs“ berichtet sogar, dass er mit einem ehemaligen Heimkind in einem Nachbarort Fußball gespielt habe. Auch an den Namen erinnert er sich und fügt hinzu: „Der wohnt jetzt in Hildesheim.“

Manchmal sind Heimkinder, die nach der Schule keine Umwege machen durften, zu diesem Gasthaus gewandert. Der Wirt hatte Windbeutel für sie. Erfuhr die Heimleitung davon, soll es nach Angaben eines ehemaligen Heimkindes „Prügel ohne Ende“ gegeben haben.

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