2. September 2010
Nach Tod einer werdenden Mutter: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren gegen deutschen Chef der Zeugen Jehovas ein
Nach zwei Jahren hat die Gießener Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Richard E. Kelsey als deutscher Chef der Zeugen Jehovas eingestellt. Der Tatvorwurf: fahrlässige Tötung. Von mir erhoben am 3. September 2008 wegen des Todes einer Zeugin Jehovas in der Asklepios-Klinik von Lich. Die 29-Jährige starb am 5. Juli 2008. Die Frau war schwanger. Sie hatte als Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft eine Erklärung unterschrieben, in der sie Bluttransfusionen ablehnte. Die Mutter der Sterbenden flehte die Ärzte an, auch der Ehemann hat eigenen Angaben zufolge einer Bluttransfusion zugestimmt.
Nach dem Tod der 29-Jährigen und des ungeborenen Babys leitete die Gießener Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen die Ärzte des Krankenhauses und gegen den Ehemann ein. Auch die wurden inzwischen eingestellt. Begründung: "Da der Arzt an den früher geäußerten Willen des Patienten gebunden ist, darf er, wenn - wie hier - kein Indiz für eine Sinnesänderung ersichtlich ist, die Bluttransfusion nicht vornehmen (vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rd-Nr. 94; BGH St.32, 367 (378)."
Bei der Verweigerung von Bluttransfusionen berufen sich die Zeugen Jehovas auf den alttestamentarischen Satz: "Wer auch immer was von Blut isst, den will ich von seinem Volk absondern." Dabei handelt es sich um eine der unzähligen jüdischen Speisevorschriften. Was hat eine Speisevorschrift mit Bluttransfusionen zu tun? Die zweite Quelle ist die Apostelgeschichte: "...dass sie sich enthalten von Ersticktem und von Blut." Dabei handelt es sich um einen Kompromiss der Jünger Jesu, die Heiden nicht die Annahme des gesamten jüdischen Gesetzes zugemutet haben bevor sie Christen werden konnten. Verlangt wurden: kein Götzenopferfleisch genießen, keine Unzucht treiben und kein Blut genießen.
Die willkürliche Bibelauslegung der Zeugen Jehovas ist für mich Anlass für die Strafanzeige gewesen. Die Gießener Staatsanwaltschaft entschied: "Unabhängig von der Funktion des Beschuldigten bei der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas ist keine Tathandlung seinerseits ersichtlich, die für den Tod der Frau J. ursächlich gewesen ist. Das bloße Mitwirken in einer solchen Glaubensgemeinschaft kann nicht als strafbare Handlung gewertet werden."
Die Entscheidung, Bluttransfusionen abzulehnen, habe die Tote "alleine und bei vollem Bewusstsein getroffen". Das beweise auch die von ihr unterschriebene Patientenverfügung. Die Gießener Staatsanwaltschaft abschließend: "Dass seitens des Beschuldigten diesbezüglich in irgendeiner Art auf Frau J. oder die beschuldigten Ärzte eingewirkt worden ist, ist nicht ansatzweise ersichtlich." (Geschäftszeichen 402 Js 25314/08)
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